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Rittergut Steinbeck, ein landtagsfähiges Gut
von Roland Linde |
Was war ein „Rittergut“?
Das Gut Steinbeck bei Wüsten war ein Rittergut, als solches
wird es beispielsweise im lippischen Ortschaftsverzeichnis
von 1911 bezeichnet. Was muss man sich aber unter einem
Rittergut vorstellen? „Rittergüter“, so definiert es das
Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, „hießen die
Güter des landsässigen Adels, mit deren Besitz die
ritterliche Landstandschaft verbunden war; sie wurden
deshalb auch als landtagsfähige Güter bezeichnet ...“
Charakteristisch waren außerdem „die Befreiung der R. von
Beden, Schatzungen und anderen allgemeinen Steuern und
Abgaben, von Einquartierungen, Frondiensten und bäuerlichen
Lasten“ und der „Gerichtsstand der R. vor den oberen
Gerichten des Landes (Schrift-, Kanzleisässigkeit) ...“
Rittergüter waren also von öffentlichen Lasten befreit und
unterstanden unmittelbar den Obergerichten des jeweiligen
Territoriums. Die örtliche Verwaltung und Gerichtsbarkeit
hatte demnach keinen Zugriff auf das Rittergut. Außerdem
befähigte der Besitz eines Rittergutes den Besitzer als
Mitglied der Ritterschaft zur Teilnahme am Landtag. All
diese Kriterien gelten auch für die Rittergüter in der
Grafschaft Lippe. |
In
der Entstehung der lippischen Rittergüter kreuzen sich zwei
Entwicklungslinien der beginnenden frühen Neuzeit: Die
Etablierung einer landständischen Verfassung und die
Rückorientierung des Adels auf die Landwirtschaft. Im 16.
Jahrhundert erlebten die Grafschaft Lippe und der gesamte
Weserraum als Kornkammer der bevölkerungsreichen und
getreidearmen Niederlande einen erheblichen wirtschaftlichen
Aufschwung. Der niedere ritterschaftliche Adel, der mit
wenigen Ausnahmen seit dem 13. Jahrhundert in den Städten
und auf den landesherrlichen Burgen lebte und sich auf die
Erhebung der Naturalabgaben seiner abhängigen Bauern
beschränkt hatte (so genannte Rentengrundherrschaft),
interessierte sich wieder für die Landwirtschaft und das
Wohnen im ländlichen Umfeld. Ein Verzeichnis der
gräflich-lippischen Verwaltung von ca. 1625, als die
Gründungswelle wieder abgeflaut war, nennt nicht weniger als
43 adeliche Landtsaßen mit den zugehörigen Gütern,
darunter auch die „Wittibe de Wreden zu Steinbegk“.
Eine Reihe bedeutender Schlossbauten der Renaissancezeit wie
z. B. in Wendlinghausen zeugen von dieser prachtvollen
Rückkehr des Adels auf das „platte Land“. |
Nicht weniger wichtig als repräsentative Neubauten war die
Einrichtung eigener Gutsbetriebe, deren Bewirtschaftung der
Adelige allerdings üblicherweise mit Zeitverträgen
ausgestatteten Pächtern, so genannten Konduktoren überließ.
Die Adelsgüter entstanden nicht durch Zurodung und
Urbarmachung von Land, sondern in dem man kurzerhand
besonders lukrative Höfe aus der eigenen Grundherrschaft den
darauf lebenden Bauernfamilien entzog. Die hatten gegen
dieses Vorgehen in der Regel keine Handhabe und konnten
bestenfalls eine Abfindung erstreiten. |
Der Landtag hatte ein Beratungsrecht in den öffentlichen
Angelegenheit der Grafschaft und übte über sein Recht, die
vom Landesherrn gewünschten Steuererhebungen zu genehmigen
oder abzulehnen, auch realen Einfluss auf die
landesherrliche Politik aus. Gebildet wurde der lippische
Landtag von den zwei Ständen der Vertreter der
vollberechtigten Städte (Blomberg, Detmold, Horn, Lemgo,
Lippstadt und Salzuflen) und der Ritterschaft, der adligen
Besitzer der landtagsfähigen Güter. Für die Aufnahme in die
Ritterschaft war in Lippe keine Ahnenprobe auf acht
Urgroßeltern oder gar 16 adlige Ur-Urgroßeltern
Voraussetzung wie beispielsweise im Hochstift Paderborn. Das
eröffnete auch dem so genannten Briefadel, also den in den
Adelsstand erhobenen Bürgerlichen und ihren Nachkommen den
Zugang zum Ritterstand. Gelangte das Rittergut allerdings in
bürgerliche Hand, ruhte die Landtagsfähigkeit auch in Lippe.
Seit 1836 hatte nicht mehr jeder Rittergutsbesitzer
automatisch ein Landtagsmandat, vielmehr vertraten seitdem
fünf adlige und zwei bürgerliche Abgeordnete die
Ritterschaft. Die ständische Verfassung des Landtages wurde
schließlich 1876 zugunsten eines modernen
Repräsentativsystems aufgegeben. Die Ritterschaft blieb aber
als Korporation der Rittergutsbesitzer, die sich inzwischen
auch Bürgerlichen geöffnet hatte, erhalten und löste sich
erst im Jahre 1933 auf. |
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Quellen: |
Kroeschell, Karl: Artikel „Rittergut“, in:
Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4 (1990), Sp.
1075f. |
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Linde, Roland; Rügge, Nicolas; Stiewe, Heinrich: Adelsgüter
und Domänen in Lippe. Anmerkungen und Fragen zu einem brach
liegenden Forschungsfeld, in: Lippische Mitteilungen aus
Geschichte und Landeskunde 73 (2004), S. 13-108 |
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