Home

Zurück zur Übersicht
Geschichte des Gutes
Geschichte der Mühle
Familienforschung
In der Literatur
J.H. von Lengerke
M. von Stietencron
Arthur von Lengerke
Gehölze im Parkark
Die Pyramideneiche
Landtagsfähiges Gut  

Rittergut Steinbeck, ein landtagsfähiges Gut
von Roland Linde

Was war ein „Rittergut“?
Das Gut Steinbeck bei Wüsten war ein Rittergut, als solches wird es beispielsweise im lippischen Ortschaftsverzeichnis von 1911 bezeichnet. Was muss man sich aber unter einem Rittergut vorstellen? „Rittergüter“, so definiert es das Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, „hießen die Güter des landsässigen Adels, mit deren Besitz die ritterliche Landstandschaft verbunden war; sie wurden deshalb auch als landtagsfähige Güter bezeichnet ...“ Charakteristisch waren außerdem „die Befreiung der R. von Beden, Schatzungen und anderen allgemeinen Steuern und Abgaben, von Einquartierungen, Frondiensten und bäuerlichen Lasten“ und der „Gerichtsstand der R. vor den oberen Gerichten des Landes (Schrift-, Kanzleisässigkeit) ...“ Rittergüter waren also von öffentlichen Lasten befreit und unterstanden unmittelbar den Obergerichten des jeweiligen Territoriums. Die örtliche Verwaltung und Gerichtsbarkeit hatte demnach keinen Zugriff auf das Rittergut. Außerdem befähigte der Besitz eines Rittergutes den Besitzer als Mitglied der Ritterschaft zur Teilnahme am Landtag. All diese Kriterien gelten auch für die Rittergüter in der Grafschaft Lippe.

In der Entstehung der lippischen Rittergüter kreuzen sich zwei Entwicklungslinien der beginnenden frühen Neuzeit: Die Etablierung einer landständischen Verfassung und die Rückorientierung des Adels auf die Landwirtschaft. Im 16. Jahrhundert erlebten die Grafschaft Lippe und der gesamte Weserraum als Kornkammer der bevölkerungsreichen und getreidearmen Niederlande einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung. Der niedere ritterschaftliche Adel, der mit wenigen Ausnahmen seit dem 13. Jahrhundert in den Städten und auf den landesherrlichen Burgen lebte und sich auf die Erhebung der Naturalabgaben seiner abhängigen Bauern beschränkt hatte (so genannte Rentengrundherrschaft), interessierte sich wieder für die Landwirtschaft und das Wohnen im ländlichen Umfeld. Ein Verzeichnis der gräflich-lippischen Verwaltung von ca. 1625, als die Gründungswelle wieder abgeflaut war, nennt nicht weniger als 43 adeliche Landtsaßen mit den zugehörigen Gütern, darunter auch die „Wittibe de Wreden zu Steinbegk“. Eine Reihe bedeutender Schlossbauten der Renaissancezeit wie z. B. in Wendlinghausen zeugen von dieser prachtvollen Rückkehr des Adels auf das „platte Land“.

Nicht weniger wichtig als repräsentative Neubauten war die Einrichtung eigener Gutsbetriebe, deren Bewirtschaftung der Adelige allerdings üblicherweise mit Zeitverträgen ausgestatteten Pächtern, so genannten Konduktoren überließ. Die Adelsgüter entstanden nicht durch Zurodung und Urbarmachung von Land, sondern in dem man kurzerhand besonders lukrative Höfe aus der eigenen Grundherrschaft den darauf lebenden Bauernfamilien entzog. Die hatten gegen dieses Vorgehen in der Regel keine Handhabe und konnten bestenfalls eine Abfindung erstreiten.

Der Landtag hatte ein Beratungsrecht in den öffentlichen Angelegenheit der Grafschaft und übte über sein Recht, die vom Landesherrn gewünschten Steuererhebungen zu genehmigen oder abzulehnen, auch realen Einfluss auf die landesherrliche Politik aus. Gebildet wurde der lippische Landtag von den zwei Ständen der Vertreter der vollberechtigten Städte (Blomberg, Detmold, Horn, Lemgo, Lippstadt und Salzuflen) und der Ritterschaft, der adligen Besitzer der landtagsfähigen Güter. Für die Aufnahme in die Ritterschaft war in Lippe keine Ahnenprobe auf acht Urgroßeltern oder gar 16 adlige Ur-Urgroßeltern Voraussetzung wie beispielsweise im Hochstift Paderborn. Das eröffnete auch dem so genannten Briefadel, also den in den Adelsstand erhobenen Bürgerlichen und ihren Nachkommen den Zugang zum Ritterstand. Gelangte das Rittergut allerdings in bürgerliche Hand, ruhte die Landtagsfähigkeit auch in Lippe. Seit 1836 hatte nicht mehr jeder Rittergutsbesitzer automatisch ein Landtagsmandat, vielmehr vertraten seitdem fünf adlige und zwei bürgerliche Abgeordnete die Ritterschaft. Die ständische Verfassung des Landtages wurde schließlich 1876 zugunsten eines modernen Repräsentativsystems aufgegeben. Die Ritterschaft blieb aber als Korporation der Rittergutsbesitzer, die sich inzwischen auch Bürgerlichen geöffnet hatte, erhalten und löste sich erst im Jahre 1933 auf.


Quellen: Kroeschell, Karl: Artikel „Rittergut“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4 (1990), Sp. 1075f.
 

Linde, Roland; Rügge, Nicolas; Stiewe, Heinrich: Adelsgüter und Domänen in Lippe. Anmerkungen und Fragen zu einem brach liegenden Forschungsfeld, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 73 (2004), S. 13-108