Lieber Großvater,
am 10. Mai 2007 hat im
Bürgerhaus in Wüsten ein Erinnerungsabend und
Gedankenaustausch über das Oberwüstener Schulleben zwischen
etwa 1925 und 1944 stattgefunden. In gemütlicher Runde
trafen sich Frau Elisabeth Düstersiek,
Frau Esther Prüßner,
Frau Ruth Rudolph,
Herr Ralph Brandt, Herr Gustav Begemann, Herr Werner Dingersen, Herr August Düstersiek, Herr Werner Güse, Herr
Gustav Limberg, Herr Klaus Pumpenmeier und Herr Rudolph Prüßner.
Dein Wirken als Lehrer, Organist der Kirchengemeinde Wüsten
und als Standesbeamter stand im Mittelpunkt der
Unterhaltung. Dein Enkelsohn hat sehr aufmerksam zugehört.
Respekt, Anerkennung und tiefe Zuneigung, das sind die
beschreibenden Attribute Deiner ehemaligen Schülerinnen und
Schüler.
Als geduldigen Klavier- und
Orgellehrer und väterlichen Freund hat Dich Gustav Limberg
geschildert. Es wird Dich freuen, dass Gustav Limberg als
einer Deiner Nachfolger bis zum 1994 38 Jahre als Organist
in der Wüstener Kirchengemeinde gewirkt hat.
Klaus Pumpenmeier hat mir
von seiner Einschulung berichtet. Einen ängstlich an seine
Mutter geklammerten Jungen hast Du mit dem Hinweis, er solle
noch ein Jahr in der behüteten häuslichen Umgebung spielen
aus der ungewohnten Schulumgebung befreit. Der junge
Wüstener hätte sich in Deiner schulischen Obhut auch wohl
gefühlt. Wie die anderen Kinder, mit denen Du auf den
Schulbildern in der ersten Hälfte des vergangenen
Jahrhunderts zu sehen bist. Die Bilder zeigen keinen
lippischen Prügelpädagogen aus jener Zeit. Erwartungsfrohe,
neugierige und fröhliche Kinder und einen ausgeglichenen, in
sich ruhenden und warmherzigen Pädagogen sehe ich auf den
Fotos. Als Großeltern haben mir Deine Schüler mit
Begeisterung von Deinem 36jährigen Wirken an der Wüstener
Schule berichtet. Ich bin stolz auf Dich, wenn mit dieser
Bewunderung und Hochachtung von Lehrer Beckmann erzählt
wird.
Standesamtlich hast Du meine
Eltern in den heiligen Stand der Ehe entlassen. Das Sofa aus
dem Zimmer des Standesbeamten Beckmann hat als Möbelstück im
Wohnzimmer Deines Sohnes und Deiner Schwiegertochter für
manche Erheiterung bei Besuchen gesorgt. Einige Gäste meiner
Eltern konnten sich an die Sitzgelegenheit aus dem Zimmer
des Standesbeamten lebhaft erinnern.
Meine Mutter schilderte oft
noch dankbar die erste zuneigende Begegnung mit ihrem
späteren Schwiegervater. Das Treffen hat einen nachhaltigen
Eindruck bei meiner Mutter hinterlassen. Neugierig geworden,
habe ich Zeitzeugen Deines Lebens und beruflichen Wirkens
befragt. Ich bin immer wieder erstaunt und erfreut, wenn
Dich die Wüstener als liebevolle Respektsperson schildern,
die eine Aura an natürlicher, unaufdringlicher Autorität
ausstrahlte. Gerne hätte ich auf Deinem Schoß sitzend Deinen
Erzählungen gelauscht. Noch lieber hätte ich mich neben dem
Klavier- und Orgellehrer als Schüler platziert. Das
Tastenhandwerk habe ich leider nicht erlernen können. Meine
Liebe zur klassischen Musik teile ich mit Dir. Höre ich
meine Lieblingsorgelmusik von Johann Sebastian Bach und
Dietrich Buxtehude bin ich gedanklich ganz nah bei Dir.
Deine Dienstanweisung als 1.
Lehrer in Oberwüsten, die Du ab dem 29. März 1915 im
Auftrag des Kreisschulinspektors des Schulkreises Lemgo zu
beachten hattest, korrespondierte fast zeitgleich mit der
Geburt Deines Sohnes. Das war einer der erfreulicheren und
erfolgreichsten Zeitabschnitte in Deinem Leben.
Deine kritische Haltung
gegenüber den Nazis hat Dein Nervenkostüm häufig
beansprucht. Deine Auseinandersetzungen mit den Wüstener
Obernazis hätte ich gerne belauscht. Als 1. Lehrer und
Standesbeamter haben die Nazis von Dir einen Ariernachweis
verlangt. Den Ahnenpass, den Du in mühevoller Recherche in
Schwalenberg und Umgebung erstellt hast, hüte ich und werde
ihn zu gegebener Zeit meinem Sohn Christoph überlassen.
Lieber Großvater, ein Bild
wird mich mein ganzes Leben begleiten. Wahrscheinlich sitzt
Du um 1935 an Deinem Schreibtisch, einen Pelikan-Füller in
der rechten Hand haltend. Das Bild zeigt einen zufriedenen
Menschen. Der Füller hatte bis vor zwei Jahren einen
Ehrenplatz auf meinem Schreibtisch. Dann habe ich ihn Deiner
Urenkelin Daniela zum bestandenen 2. Staatsexamen als
Primarstufen-Lehrerin geschenkt. Daniela und ihr Vater
pflegen die Lehrertradition im „Hause Beckmann“. Wir sind
beide begeisterte Pädagogen.
Meine Taufe hast Du noch
erlebt. Schade, Du bist viel zu früh gestorben.
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