Theodor
Krücke, war von 1865 bis 1877 Pastor in Wüsten.
Gebürtig stammt er aus Langenholzhausen, er war der zweite Sohn
des Pastors Wilhelm Krücke, der dort von 1835 bis1857 Pastor war.
Er besuchte das Gymnasium in Lemgo, studierte in Erlangen und Berlin
und wurde am 6. März 1861 Landeskandidat. Darauf war er kurze Zeit
in Bremen als Hilfsprediger tätig. Michaelis 1861 erhielt Theodor
Krücke die Stelle als Hilfslehrer am Fürstlichen Schullehrerseminar und Gymnasium zu
Detmold. 1984 bestand er sein Staatsexamen. Er muss einen guten Eindruck auf den
Seminarinspektor
gemacht haben, denn er vermählte sich später mit seiner
Tochter Helene. |
1865 wurde er als Pastor nach Wüsten berufen. Wären nicht
seine lesenwerten Pastoralberichte aus seiner 12jährigen
segensreichen Tätigkeit in Wüsten erhalten geblieben, so
wüssten wir wenig über diesen Pastor der schon in jungen Jahren in unser
Dorf kam. |
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Pastor Theodor Krücke. |
Im
Jahre 1877 wurde er als Pastor nach Salzuflen
gewählt, wo er über 10 Jahre im Amte war. Mit großem
Eifer setzte er sich für die Erweiterung der im
Jahre 1875 gegründete Kinderheilanstalt ein.
Inwieweit der Gutsbesitzer
Schemmel aus Wüsten, der ebenfalls durch eine Stiftung die
Kinderheilanstalt sehr unterstützte, auf seinen etwa
gleichaltrigen früheren Pastor Einfluss genommen hat, kann
wohl nicht mehr geklärt werden. Durch die Mitgliedschaft von
Schemmel im Wüstener Presbyterium, müssen sie sich immerhin
gut gekannt haben. |
Pastor Krücke ist Mitglied der ersten Lippischen Landessynode, in
die er von der
Klasse-Detmold als einer der drei geistlichen Vertreter gewählt
wurde. Auch hier trifft er wieder auf Wilhelm Schemmel, der einer der
Laienabgeordneten in der Synode ist. |
"Wenn
er dem Heimatlande den Rücken kehrte, dann geschah
es wohl im wesentlichen wegen mancher ihm zuteil
gewordenen Kränkungen. Er nahm wenigstens seinen
Abschied ..." wird in seinem Nachruf im Fürstlich
Lippischen Kalender vermerkt. |
Am 20.
Januar 1887 wurde Pastor Krücke einstimmig in
das alte märkische Landstädtchen Alt-Landsberg
gewählt, wo er an der dortigen Schloßkirchengemeinde
noch lange Jahre bis Oktober 1909 in Segen gewirkt
hat.
Er starb am 11. Oktober 1912 in Lichterfelde
bei Berlin. |
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In seinen Pastoralberichten von 1868, 1870
und 1871 schreibt Pastor Krücke u. a. über Wüsten und
die Wüstener:
"Die Wüstener, obwohl viel individueller als es jetzt meist die
modernen Menschen sind, sind urkonservativ sowohl in guter wie in
schlechter Beziehung und nehmen daher jede Neuerung zunächst
mißtrauisch auf und bleiben lieber beim schlechten Alten, als daß sie
gutes Neues aufnehmen. Ein Pastor der die Absicht hat und die
Befähigung, könnte sich hier leichter zu einem Papst machen!
Sie lieben
daher auch Autoritätspredigten und es ist Ihnen nicht lieb, daß ich
nicht in dieser Weise predige, sondern den Weg des Beweises aus der
Schrift gehe."
Und an einer
anderen Stelle charakterisiert er die Wüstener:
"Das zähe Festhalten am alten, wie es hier sich findet, wie oft
kann man es eine Tugend nennen und wie viele Gebrechen bringt es wieder
mit sich. Endlich ist es eine Eigenart der Wüstener, sehr
vorsichtig im Wort zu sein jedem Angestellten und höher stehenden
gegenüber. Zu leicht bildet sich daher der Unbekannte ein,
ihre Zustimmung zu haben und hat doch nichts erreicht. Ich glaube es
ist keine so leichte Aufgabe, in Wüsten Pastor zu sein. Auf offene
Opposition wird man nicht stoßen, aber jeder hält sich
für klug und glaubt, daß er sittlich und religiös der
beste sei." |
Über die Kindererziehung und zwischen
den Zeilen über die bittere Armut in den Familien schreibt Pasor
Krücke:
"[...] am schlechtesten [ist sie] bei den kleinen Leuten. Denn ganz
abgesehen davon, daß bei ihnen die Kinder in den ersten
Lebensjahren
nicht die nötige Nahrung und Pflege bekommen und am wenigsten
später
zum Lernen angehalten werden, werden sie am meisten verzogen und gar
nicht an Gehorsm gewöhnt. Es kommen oft die schrecklichsten
Beispiele
davon vor, wie die Kinder später keine Ehrfurcht vor ihren Eltern
haben
und sie im Alter hungern und darben lassen. In der Schule zeigt sich
der nachtheilige Einfluß des sonst so viele Vorzüge habenden
Einzelwohnens. Die Kinder verstehen kein Wort Hochdeutsch, haben
blutwenig Anschauungen, sind steif und unbeweglich wie Klötze."
An anderer Stelle
berichtet er:
"Vielfach hindernd ist mir [...] in den Weg getreten, daß die
Lehrer
durchgehends mißtrauisch gegen ihre Pastoren sind."
Pastor Krücke gab
aber nicht auf, sich für Schule und Schüler einzusetzen.
"Ich will hier
nur erwähnen, daß ich die Lehrer nötige, auch
schöne weltliche Lieder
in der Schule zu üben, weil das das beste Mittel gegen schlechte
Lieder
ist. Ferner veranlaßte ich die Lehrer, die Kinder zum Spielen zu
bringen. Es gab merkwürdigerweise hier fast keine Spiele unter den
Kindern. Im Sommer 1867 wurde ein Schulfest gefeiert, das auch guten
Erfolg gehabt hat. Die Kinder sollten teilweise nicht daran teilnehmen,
weil Spielen Sünde sei. Doch mit viel Mühe gelang es, das
Fest
zustandezubringen. Als hernach die Leute die ganze Anordnung des Festes
sahen,
waren sie zufriedengestellt [...]." |
Aber nicht nur für die Kinder, auch
für die Ziegler schlug sein Herz:
"Durch meine Reise zu den Zieglern in Holland ist mir dann deutlicher
die Pflicht der Pastoren und der Lippischen Landeskirche den Zieglern
gegenüber entgegengetreten. [...] aber von unserer geschieht
für die vielen Ziegler, die in der Gefahr der kirchlichen
Verwahrlosung stehen, nichts. [...] Daß hierin ein
einzelner, da die Aufgabe viel zu schwer ist, sehr wenig tun kann ist
gewiß; würde aber die Sache von der Gesamtheit in die Hand
genommen, so ließe sich in Gemeinschaft mit dem Ausschuß
für innere Mission viel erreichen. Ich muß gestehen,
daß mir das Herz blutet, wenn ich sehe, wie gleichgültig wir
doch bei der Sache sind. In diesem Lande besteht 1/3 der
Bevölkerung aus Zieglern und ihren Angehörigen. Muß
nicht, wenn die Kirche noch so wenig für sie tut, die am meisten
mit das seelsorgerliche Nachgehen bedürfen, die Schuld ihres
Verkommens mit auf sie fallen? Ich werde, wo ich kann, daran erinnern
und auf diesen Schaden hinweisen, sollte ich auch nur eine Stimme in
der Wüste sein [...]."
Anzumerken ist: Erst 25 Jahre später (ab 1895) zogen jährlich
zwei zuweilen auch drei lippische Prediger hinaus in die
verschiedensten Bezirke, in denen lippische Ziegler tätig
waren. |
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