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Der Krautkrug - Zurheide - Unterwüsten Nr. 92

Der seit 1592 bestehende Krautkrug im Frühjahr 1991.1

Krautkrug, Zurheide, Unterwüsten Nr. 92
ab 1952 Krutheide Nr. 6, heute Loosestraße Nr. 29
Der Krautkrug auf der Krutheide in Unterwüsten existiert seit 1592. Nachstehend soll die Zeit ab 1885 dokumentiert werden, in der die Familien Zurheide die Geschicke dieses traditionsreichen Kruges leiteten.
Der Krüger und Kolon von Unterwüsten Nr. 32, August Schwarzejobst genannt Jobstmeier, errichtete im Jahre 1885 das heute noch vorhandene - wenn auch mittlerweile mehrfach umgebaute - Gasthaus. Damit hatte er sich  finanziell wohl übernommen. Denn bereits 1891 verkaufte er den Krautkrug an den in Wehrendorf bei Vlotho ansässigen Gastwirt August Zurheide. Durch diesen Verkauf wurde die über drei Jahrhunderte bestandene Einheit von Hof und Krug getrennt. Der Hof Unterwüsten Nr. 32 verblieb im Besitz der Familie Schwarzejobst genannt Jobstmeier. Der Krautkrug ging an die Familie Zurheide und bekam die Haus-Nummer Unterwüsten 92.
Für das Gasthaus "nebst Garten und Kegelbahn" zahlte August Zurheide an Jobstmeier die für damalige Verhältnisse stattliche Summe von 18 300,- Mark.2 August Zurheide hatte aber offenbar zu keinem Zeitpunkt die Absicht, selbst als Krautkrüger in Erscheinung zu treten. Denn unmittelbar nach dem Erwerb des Kruges trat er ihn bereits wieder an seinen in Unterwüsten wohnenden Bruder Fritz ab.
Um den Lebensweg der Familien Zurheide zu verfolgen, gehen wir an den Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Der Ursprung liegt auf dem Colonat Nr. 38 in Oberwüsten nahe der Oberwüstener Schule und ist noch heute im Besitz eines anderen Zweiges der Familie Zurheide.
Am 30. August 1816 wurde Friedrich Wilhelm Andreas-Schäfer als Sohn des Otto Henrich Andreas-Schäfer von Oberwüsten Nr. 65 und der Anna Marie Louise geb Kreienmeyer von der Waldemeine geboren.3
Otto Henrich Andreas Scheiper starb als Kolon Zurheide Nr. 38 in Oberwüsten am 6. Januar 1853.4 Wie er in den Besitz des Hofes Oberwüsten Nr. 38 kommt, darüber schweigt sich das Wüstener Kirchenbuch aus.
Friedrich Wilhelm Andreas-Schäfer oder Zurheide - also trägt auch der Sohn jetzt den Namen Zurheide - finden wir im Taller Kirchenbuch am 24. März 1848 unter den Eheschließungen wieder: "Ehemann: Andreas-Schäfer oder Zurheide genannt Drake, Friedrich Wilhelm, Sohn des Coloni Otto Henrich A. von Nr. 38 zu Oberwüsten und der Anna Marie Louise geb. Kreienmeyer daselbst, Kommerziant und angekaufter Straßenkötter auf Nr. 42 zu Kirchheide, geb. am 30. August 1816 lt. Taufschein. Ehefrau: Hackemak, Sophie Charlotte Henriette, Tochter des Leibzüchters H. auf dem Vollmeyercolonate Nr. 3 zu Bentrup, Kirchspiel Heiden, und der Luise Katharina Elisabeth geb. Kater, geb. lt. Taufschein am 7. Februar 1823."5
Das Kolonat Nr. 42 zu Kirchheide ist die Gastwirtschaft "Im Borke" (heute Salzufler Str. 134, 32657 Lemgo)6.
Zwei Kinder, Louise Wilhelmine Charlotte (* 26. Januar 1850)7 und Friedrich Wilhelm (* 27. August 1851)8 werden ihnen in Kirchheide geboren. Dann verliert sich die Spur der Familie Zurheide in Kirchheide. Haben sie das angekaufte Kolonat Nr. 42 wieder aufgegeben?
Ein weiterer Sohn, Ernst Friedrich (Fritz) August Zurheide, wird am 29. August 1860 in Steinbrüntorf Kirchsp. Valdorf geboren. Er ist der spätere Besitzer des Krautkugs in Unterwüsten. Zwischen 1851 und 1860 muß wenigstens noch ein Kind (August Zurheide, der spätere Käufer des Krautkrugs, der ihn dann an seinen jüngeren Bruder abgegeben hat) geboren sein.

Anzeige im "Adreßbuch für das Fürstenthum Lippe", Ausgabe 1901.

Eine frühe Postkarte vom Krautkrug.
Verwendet 1902.9

Unter dem neuen Besitzer Fritz Zurheide (* 1860-† 1934) entwickelte sich der Krug zu einem Ausfluglokal von überörtlicher Bedeutung. Großen Anklang fand die Gaststätte vor allem bei den Salzufler Kurgästen, die entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad, per Kutschwagen oder auch ab 1902 mit der Herforder Kleinbahn anreisten.

Von 1902 bis 1962 konnten die Gäste des Krautkruges und der Gaststätte zur Loose für die Anreise von Salzuflen, Herford, Exter oder Vlotho die Kleinbahn benutzen. Vor allem an den Wochenenden erfreute sich dieses Nahverkehrsmittel größter Beliebtheit.10

Der Betrieb des Krautkruges lief so gut, dass Fritz Zurheide kurz vor 1900 in der Lage war, mit dem nur wenige hundert Meter entfernt - aber schon auf Salzufler Grund - gelegenen Waldrestaurant "Zur Loose" noch ein weiteres Ausflugslokal zu erwerben. An der Loose wurde wenig später ein Haltepunkt der Kleinbahn eingerichtet. Dadurch stieg das Lokal schnell zum härtesten Konkurrenten des Krautkruges auf und dürfte ihn zeitweise sogar überflügelt haben.

Waldrestaurant "Zur Loose", Dieses beliebte Ausflugsziel befand sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls im Besitz von Fritz Zurheide.11

Fritz Zurheide baute an das Waldrestaurant "Zur Loose" einen Pavillon an.12

Die größeren Räumlichkeiten und die Nähe zu Bad Salzuflen begünstigt durch die entstehende Kleinbahn mögen Fritz Zurheide bewogen haben, zusammen mit seiner Ehefrau Elise (1873-1928) und den Söhnen Hugo, Walter und Fritz vorübergehend in die Loose umzuziehen und den Krautkrug ab 1909 für zwölf Jahre an den Wirt Rudolf Hausmann zu verpachten.

Eine Postkarte von "Hausmann's Restaurations Garten. Krautkrug bei Bad Salzuflen".13

Nach Ablauf des Pachtvertrages (1921) verkaufte Fritz Zurheide das Loose-Restaurant und übernahm zehn Jahre lang wieder den Krautkrug bevor er ihn an seinen jüngsten Sohn Fritz Zurheide übergab.
Als Fritz Zurheide junior (1910-1978) im Jahre 1930 die Leitung des Krautkruges übernahm, war er einer der Jüngsten Wirte in Lippe. Er führte mit Erfolg über fast vier Jahrzehnte (bis 1966) die langjährige Tradition der Gaststätte fort. Unterbrochen wurde diese Zeit nur durch die Einberufung im vorletzten Kriegsjahr und die anschließende Gefangenschaft.

Blick in die Küche des Krautkruges etwa 1935 - Am Herd stehen (rechts) die Krautkrügerin Tekla Zurheide (geb. 1905) und eine unbekannte Küchenhilfe.14

Vor dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in den fünfziger Jahren konnte der Krautkrug seinen ohnehin schon guten Ruf als Ausflugslokal ständig verbessern. Die Gaststätte profitierte in dieser Zeit fraglos von der günstigen Entwicklung des Salzufler Staatsbades, dass allein zwischen 1939 und 1959 die Zahl seiner Kurgäste von 28.000 auf über 60.000 steigern konnte. Während der Kursaison (April bis September) besuchten täglich oft hunderte von Kurgästen den Krautkrug und ließen sich bei gutem Wetter im Kaffeegarten den von der Krautkrügerin Thekla Zurheide (geb. 1905) selbst gebackenen Kuchen schmecken; beliebt waren vor allem ihre Waffeln.
Als 1962 der Betrieb der Kleinbahn eingestellt wurde, hatte dies für den Krautkrug deutlich spürbare Folgen. Die Zahl der Kaffeegesellschaften ging sofort merklich zurück. Hieraus resultierende finanzielle Verluste konnten in den folgenden Jahren aber durch eine Intensivierung des abendlichen Restaurationsbetriebes aufgefangen werden.

Die Kleinbahnhaltestelle Loose nur 5 Minuten vom Krautkrug entfernt.15

 

Bereits 1958 war mit der Schließung des seit 1795 betriebenen Krämer- und Lebensmittelladens ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des Krautkruges zu Ende gegangen. Vor allem die in der Nachbarschaft wohnenden Wüstener Bauern- und Handwerkerfamilien haben das seinerzeit sehr bedauert. Sie konnten nun nicht mehr, wie vorher seit Jahrzehnten üblich, bis abends um 22.00 Uhr (häufig in Verbindung mit einem kleinen Umtrunk) ihre Einkäufe erledigen.

Drei Postkarten vom Krautkrug aus der Vor- und Nachkriegszeit.16, 17, 18

Ein neues Kapitel in der Geschichte des Krautkruges wurde am 15. Januar 1969 aufgeschlagen, als mit Dieter Zurheide (Jahrgang 1940), dem jüngsten Sohn von Fritz und Thekla Zurheide, die dritte Generation der Zurheides die Leitung der Gaststätte übernahm.

Unter Dieter Zurheide und seiner Ehefrau Helga wurde das 1885 errichtete Gasthaus in den Jahren von 1970 bis 1990 grundlegend umgestaltet und damit den Erfordernissen der Zeit angepaßt. Dieter Zurheide, Koch von Beruf und Berufung, hat dem Krautkrug "die Note eines exquisiten Speiserestaurants gegeben, dem gepflegte Gastlichkeit Verpflichtung ist"19. Die Ausrichtung und Gestaltung von Familienfesten und Hochzeiten gehören ebenfalls zu den "Spezialitäten" des Hauses.

Dieses alles war gültig bis Juni 2001. Dieter Zurheide und seine Ehefrau Helga gingen in den wohlverdienten Ruhestand. Die Kinder der beiden, längst in anderen verantwortungsvollen Berufen tätig und z. T. auch im Ausland lebend, wollten die arbeitsintensive Gaststätte nicht weiterführen. Einen Pächter für diesen traditionsreichen Krug, der den Ansprüchen der Zurheides halbwegs genügte, wurde ebenso nicht gefunden. Die Gasträume wurden stilvoll und lichtdurchflutet in eine behagliche Wohnung umgebaut, in denen Dieter und Helga nun ihren neuen Lebensabschnitt verbringen.
Aber ganz ohne Tätigkeit wollten die beiden nicht sein. Nicht nur für die, die die vorzüglichen Speisen und Getränke des Krautkrugs zu schätzen wußten, betreiben sie nun einen Party-Service, der über die Grenzen von Wüsten hinaus bekannt und beliebt ist.

Anzeige in dem Einladungsheft zum Volksfest in
Wüsten vom 16. bis 19. Juni 2005.

Eine interessante Erbfolge-Geschichte soll nicht unerwähnt bleiben: Am 12. Juni 1857 heiratete Johann Jobst Töns-Jobst-Harde oder Hofmeister, Kolon auf Nr. 23 in Unterwüsten, die 34 Jahre jüngere und erst 19 Jahre alte Luise Wilhelmine Linnenbecker.20 Nach 21jähriger Ehe stirbt ihr Ehemann.21 Die Ehe blieb kinderlos. Die Witwe war nun Besitzerin des Kolonats, das sie mit in ihre zweite Ehe mit dem Kolonatsbesitzer Nr. 38 in Oberwüsten, Johann Friedrich Zurheide22, einbrachte. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tod der Eheleute (1913)23 erbten die Kinder der bereits verstorbenen Neffen des Johann Friedrich Zurheide die beiden Höfe. Der Oberwüstener Hof Nr. 38 ging an eine Linie Zurheide, die den Hof auch heute noch bewohnen, und der Unterwüstener Hof Nr. 23 kam in den Besitz der Linie Zurheide, die auch den Krautkrug besaßen. Fritz Zurheide und seine Geschwister verkauften den Hof aber schon bald an die Familie Stille, deren Nachfahren auch heute noch im Besitz des Hofes sind.

 

Die Familien Zurheide

Frau Zurheide geb. Siekmann und Fritz Zurheide,
die den Krautkrug 1891 käuflich erwarben 22, 23.

Ernst Friedrich August Zurheide
*  29. August 1860 in Steinbrüntorf Kirchsp. Valdorf
† in Unterwüsten
1. Ehe oo am 7. April 1893 in Billinghausen mit
Emma Bertha Henriette geb. Siekmann
* 8. März 1873 zu Wellentrup Kirchsp. Oerlinghausen

Kinder
Friedrich Wilhelm Hugo Zurheide
* 25. Mai 1894  † (gefallen im 1. WK)
Fritz August Walter Zurheide
* 19. März 1901  †

Ernst Friedrich August Zurheide
*  29. August 1860 in Steinbrüntorf Kirchsp. Valdorf
† in Unterwüsten

2. Ehe
oo am _____mit
Elise geb.
† 1928
Kinder
Fritz August Erich Zurheide
* 30. August 1910 in Bad Salzuflen 
6. Februar 1978

Die Familie Zurheide auf der Loose mit den Kindern
Hugo, Walter und Fritz. Aufgenommen in der Gaststätte am 9. April 1912 24.
Fritz Zurheide senior mit seinem Sohn Fritz, um 1933 25.

Fritz August Erich Zurheide
* 30. August 1910 in Bad Salzuflen
† 6. Februar 1978

oo
am 22. Oktober 1935 mit
Thekla Friederike Wilhelmine geb. Stranghöhner
*
2. Dezember 1905 in Herford
† 25. Februar 2003
Kinder
Fritz Walter Gustav Zurheide
* 9. August 1936
oo am 9. März 1960 mit Brunhild geb. Homfeld
Dieter Zurheide
* 24. Oktober 1940

Fritz und Thekla Zurheide 26.

Dieter Zurheide
* 24. Oktober 1940
oo am 25. Oktober 1972 mit
Helga geb. Theunissen 
* 16. September 1939 in Magdeburg
Kinder
Monika Zurheide

 
 
Quellen: Dank an Herrn Dieter Zurheide, der mir für diese Dokumentation viele Fotos und Dokumente aus seinem Familien-Archiv zur Verfügung stellte.
  Meyer, Franz: 400 Jahre Krautkrug  in Wüsten 1591-1991. Bad Salzuflen-Wüsten, 1991. (Der obige Text wurde zum Teil dieser Broschüre entnommen.)
  1 Fofotografiert von Wolfgang Meier, Bad Salzuflen.
  2 Familien-Archiv Zurheide, Bad Salzuflen-Wüsten: Kaufcontrakt vom 2. Juni 1891.
  3 Wüstener Kirchenbücher im Archiv der Lippischen Landeskirche in Detmold. Geborene, 1816, Nr. 53.
  4 Bescheinigung auf Grund der Kirchenbücher der reform. Gem. Wüsten. Bescheinigt Wüsten, den 25. Juni 1924 Böke P. [Pastor].
  5 Kirchenbuch des Kirchspiels Talle im Archiv der Lippischen Landeskirche. Trauungen, 1848, Nr. 11.
  6 Lt. Auskunft des Besitzers und ehemaligen Wirtes der Gastwirtschaft "Im Borke" Herrn Heitland in Kirchheide.
  7 Kirchenbuch Talle: Geburten, 1850, Nr. 9.
  8 Ebd. Geburten, 1851, Nr. 80.
  12, 16, 17, 18  Die Postkarten sind mit freundlicher Genehmigung aus der Sammlung von Dr. Stefan Wiesekopsieker.
  14, 22, 23, 24, 25, 26 Archiv der Familie Dieter Zurheide.
  10, 13 Sammlung K. Pumpenmeier. Die Postkarten wurden 1908 z.Zt. Zurheides verwendet.
  15 Fotosammlung von Rainer Niemann, Exter, zur Herforder Kleinbahn.
  19 Dittmar, Brigitte: "Der älteste Krug" in Bad Salzuflen. In: Das Gastgewerbe, 14. Mai 1988.
  20 Wüstener Kirchenbücher. Copulierte, 1867, Nr. 10.
  21 Ebd. Gestorbene, 1878, Nr. 14.
  22 Ebd. Copulierte, 1880, Nr.
  23 Ebd. Gestorbene, 1913, Nr. 8 († 11. März 1913) und Gestorbene, 1913, Nr. 26 / († 31. August 1913).