Gustav Meierjohann,
der Besitzer des Meierhofes in Hellerhausen,
Unterwüsten Nr. 4,
war Gast am 11. Juli 1880 im Sommerkrug, einem berüchtigten Gasthaus in Pehlen,
gleich hinter dem Grenzstein auf preußischer Seite.
In einem Streit wurde er von drei Valdorfer
Handwerksburschen mit einem
Messer durch Stichwunden so stark verletzt, dass er seinen Verletzungen erlag.
Es geschah in seinem 31. Lebensjahr.
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Im
Wüstener Kirchenbuch ist nachstehende Eintragung
vermerkt:
"Unterwüsten bzw. Wehrendorf. Meierjohann, Friedrich
Philipp Gustav, Colon Nr. 4 zu Unterwüsten, Ehemann
seit dem 7. November 1873. Tag des Todes: 14. Juli.
Tag des Begräbnisses 17. Juli [1880]. In Folge von
Stichwunden in den Unterleib in der Sommerschen
Wirtschaft zu Wehrendorf erhalten ..."1 |
In der
Lippischen Landeszeitung vom 15. Juli 1880 finden
wir nachstehende kurze Notiz:
"Vlotho,
12. Juli. In der vergangenen Nacht ist im Kruge von
Wehrendorf beim Wirth S. auf der lippischen Grenze
ein scheußliches Verbrechen verübt worden, indem ein
Unhold einen Kolonen aus der Wüsten mit einem Messer
den Unterleib aufgeschlitzt hat. Der hinzugerufene
Arzt von hier hat konstatiert, daß die Verwundung
eine lebensgefährliche ist. Die bereits eingeleitete
Untersuchung wird das Nähere ergeben und werden wir
später das Weitere mittheilen."2 |
Einen
Tag später wird in derselben Zeitung etwas
ausführlicher berichtet:
"Wüsten,
14. Juli. Ueber das von Vlotho aus in dieser Zeitung
gestern berichtete Verbrechen theilen wir noch
folgendes Nähere mit. Am Sonntag, 11. d. M. hat im
sogenannten 'Sommerkruge' (ein Wirthshaus in der
Gemeinde Valdorf, nahe an der Grenze unseres
Vaterlandes [Fürstentum Lippe] gelegen) ein
grauenhaftes Verbrechen stattgefunden.
Am Abend desselbigen Tages kehrt der Oekonom Meierjohann von
hier daselbst ein, um ein Glas Bier zu trinken. Kaum
angekommen, stellen sich auch drei Handwerker aus
Valdorf, welche in Salzuflen arbeiteten, daselbst
ein. Schon unterwegs hatten dieselben in
verschiedenen Wirthshäusern Raufereien gesucht,
welche hier durch eine mörderische That enden
sollten. Ohne jegliche Ursache, soweit wie bis jetzt
ermittelt, benutzten zwei von den Gesellen den
Moment, als der p.
Meierjohann in Begriff ist seinen Schoppen zu
leeren, und verwunden denselben durch mehrere
Messerstiche. Mit dem Ausruf: "Ich bin
gestochen!" bricht der Unglückliche zusammen. Als
nach 4 – 5 Stunden der herbeigeholte Arzt erschien,
konnte dieser nur eine im höchsten Grade
lebensgefährliche Verletzung konstatieren; denn der
eine Stich war in den Unterleib gedrungen und hatte
eine Wunde von ungefähr 7 cm Länge verursacht, so
daß ein Viertel der Eingeweide nach Außen gedrängt
war. Trotz der vielen und sorgfältigsten Bemühungen
des Arztes ist
Meierjohann heute Morgen seinen Leiden
erlegen; denn die Entzündung griff zu stark um sich,
was bei dieser Wärme, zumal der Verstorbene ziemlich
genährt war, nicht ausbleiben konnte. Der Thäter ist
man habhaft geworden, und der Gendarm aus Vlotho
führte dieselben geschlossen vor einigen Tagen durch
das hiesige Dorf.3 |
Am 17.
Juli 1880 wurde Gustav Meierjohann auf der
Familiengrabstätte des Wüstener Friedhofs beerdigt.
Über die Geschehnisse am Rande dieser Beisetzung
wurde in den Zeitungen lang und breit berichtet. So
in der Lippischen Landeszeitung vom 24. Juli 1880:
"Salzuflen, 20. Juli. Nach einer dem Herforder Wochenblatt
zugegangenen Notiz begab sich am Sonnabend, 17. d.
M., der hiesige Kampfgenossenverein mit Vereinsfahne
und Musikkapelle nach dem Gehöft des Oekonomen
Meierjohann zu Unterwüsten, um die irdischen
Ueberreste seines Kameraden, des Herrn Meierjohann,
welcher am Sonntag, 11. Juli im Sommer'schen Kruge
durch Mörderhand getödtet wurde, zur Ruhe zu
geleiten und zur Erinnerung an die rühmlich
mitgefochteten Schlachten, aus welchen selbiger als
Verwundeter hervorgegangen, die letzten
militärischen Ehren zu erweisen. Auf dem Gehöfte
angekommen, spielte, nachdem die kirchlichen
Zeremonien beendet, die Vereinskapelle einen Choral,
alsdann wurde der Sarg von zwölf Kriegskameraden auf
den bereitstehenden Leiterwagen gehoben und der Zug
bewegte sich dem Friedhofe zu. Bis hier war
keinerlei Störung vorgefallen, kaum aber hatte der
Zug das Gehöft verlassen, so erschien der Herr
Pastor von Wüsten und erklärte dem Führer des
Vereins: " So, Sie sind der Führer, ich verbiete
Ihnen hiermit namens des Kirchenvorstandes und der
Verwandten des Verstorbenen das Schießen auf dem
Friedhofe!" sprachs und verschwand auf einem
Fußwege. Dasselbe erklärte eine Zivilperson, die
sich nachher als Polizeidiener von Wüsten
herausstellte. Schnell wurde vom Verein der Beschluß
gefaßt, die Leiche dem Grabe ohne Ehrenbezeugungen
zu übergeben. Aber auch dies sollte dem Verein nicht
gestattet werden, denn vor dem Friedhofe stand der
Pfarrer, welcher dem Zuge voraus geeilt war, im
vollen Ornate, den Weg versperrend und dem Führer
zurufend: "Ich verbiete Ihnen hiermit und Sie tragen
jedwede Verantwortung, wenn Sie etwas Militärisches
auf dem Friedhofe unternehmen!" Der Herr Pastor
requirirte aus den Leidtragenden Träger, die
Krieger, welche den Sarg vom Wagen heben wollten,
stiegen wieder herunter, der Verein marschierte in
zwei Gliedern auf, die Musik intonirte "Da drunten
ist Friede", die Schützensektion präsentirte, die
Fahne salutirte und fort ging es mit dem todten
Kameraden ohne seine Kriegsgefährten. Darauf
erscholl das Kommando "Rechtsum, marsch!" und ruhig
zogen die Krieger tiefbetrübt der Heimath zu.4
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Und damit
nicht genug, postwendend kam die Gegendarstellung
von der Familie und wohl auch vom Pastor:
Wüsten, 27. Juli. In Nr. 172 der Lippischen Landeszeitung
findet sich aus Salzuflen ein Artikel, der eine an
sich recht traurige Geschichte aus Wüsten so sehr
einseitig darstellt und so sehr danach angetan ist,
im Publikum ein vollständig falsches Urtheil über
die Affaire hervorzurufen und ohne jeglichen Grund
auf betreffende Personen ein übles Licht zu werfen,
daß er entschieden der Berichtigung bedarf. Die
Sachlage soll hier rein objektiv dargestellt werden,
darnach mögen die Leser selbst urtheilen. – Der
Kolon Meierjohann hatte sich seit einiger Zeit mit
einigen anderen Kriegern aus Wüsten dem Ufler
Kriegerverein angeschlossen. Er starb am 14. Juli d.
J. auf eine recht traurige, ja erschütternde Weise.
Wer die ganzen Verhältnisse kannte, konnte den
einstimmigen Wunsch sämtlicher Angehörigen fühlen
und billigen den Todten zwar kirchlich nach der
alten Sitte des Hofes, sonst aber möglichst still
und geräuschlos zu beerdigen. Vorzüglich war der
hinterlassenen Witwe sowie der einzigen Schwester
des Todten und dem Ehemann derselben eine
militärische Beerdigung durch den Ufler
Kriegerverein, von der man gehört hatte, unter den
obwaltenden Umständen höchst unangenehm. Die
Abneigung gegen die militärische Beerdigung und die
Abwehr derselben geht also durchaus
nicht vom
Pastor aus, wie man im Verein zu glauben scheint und
wie aus dem Artikel sich schließen läßt. Die
Schwester ließ also für sich und im Namen ihres
Mannes und der Wittwe ganz ohne Wissen des Herrn
Pastors durch eine der Familie befreundete Person
dem Kriegerverein schreiben, daß sie eine
militärische Beerdigung durch den Kriegerverein
durchaus nicht gerne sähen und sie sich daher eine
solche freundlichst verbitten möchten. Zur einfachen
Begleitung ohne Gewehr und Musik wurden die
Mitglieder des Vereins freundlich eingeladen. Man
hielt die Sache damit beendet, aber am Tage vor der
Beerdigung kommt noch ein Wüstener Mitglied des
Vereins zur Wittwe Meierjohann, bestürmt dieselbe
mit Bitten und hält ihr vor, es sei ein schweres
Unrecht an ihrem verstorbenen Manne, wenn sie die
militärische Beerdigung weiter untersage. Um sich in
diesem Punkte Gewißheit zu verschaffen, fragte sie
diesen und jenen um Rath, auch den Pastor, und der
sagte ihr, daß es unter den obwaltenden
Verhältnissen und den Eindrücken der letzten
Unterredungen mit dem Sterbenden
nicht für
ein Unrecht halte, wenn es unterbliebe. Wenn sie
aber wolle, habe er auch nichts dagegen, es sei so
seine Ansicht. Darauf lehnte die Wittwe es dem Boten
gegenüber nochmals entschieden ab und giebt
demselben auf seinen Wunsch einen eigenhändigen
Brief an den Kriegerverein mit, ähnlichen Inhaltes,
wie der erste Brief. Sollten andere Nachrichten dem
Verein zugekommen sein, so sind diese
nicht von
den Angehörigen ausgegegangen. Hat sich der Verein
etwa täuschen lassen, so ist es seine Sache. An ein
Kommen des Vereins wurde nicht mehr gedacht und es
wurde nun von Seiten der Verwandten beim Pastor eine
solche Beerdigung des Verstorbenen bestellt, wie sie
bei dessen Eltern stattgefunden habe. Trotzdem
erschien gegen alles Erwarten der Verein mit Musik
und Gewehr auf dem Meierjohann'schen Hofe. Zwölf der
Vereinsmitglieder nahmen sofort Besitz von der
Leiche, während die sechs bestellten und bezahlten –
nicht requirirten – Träger zurücktreten mußten,
trugen dieselbe auf den Wagen und fort ging es mit
Musik dem Friedhofe zu. Vor dem Kirchhofe machte der
Herr Pastor den Verein darauf aufmerksam, daß er zu
einer militärischen Beerdigung auf dem Friedhofe die
Genehmigung nicht habe und er sie für die Folgen der
eigenmächtigen Handlung verantwortlich machen müsse,
wie er ihm dies auch so ähnlich schon auf dem
Meierjohann'schen Hofe gesagt hatte. Dennoch traten
einige Vereinsmitglieder hinzu, um den Sarg von dem
Todtenwagen zu heben, wurden aber von den Verwandten
– nicht vom
Pastor – abgewinkt und die bestellten und bezahlten
– nicht
requirirten – Träger, welche bereit standen,
herzubeschieden. Der Verein trat zurück und folgte
der Leiche nicht weiter, obwohl vom Pastor dem
dringenden Wunsche der Verwandten gemäß nur die
militärische Beerdigung untersagt war, nicht aber
eine stille Beteiligung.
Der Kirchhof ist unbedingt (Nicht überall! Die Red.) ein
Besitzthum der kirchlichen Gemeinde und nur dem
Pastor und dem Kirchenvorstande steht Aufsicht und
Verwaltung zu.
Niemand anderes kann zu einer militärischen
Feier auf demselben Recht und Genehmigung erteilen,
wie der Kirchenvorstand oder der Pastor als dessen
Vertreter. Wenn der Pastor nun vor dem Kirchhofe dem
Vereine, der sich nicht bei ihm legitimirt, sein
Kommen nicht angezeigt, die Erlaubnis nicht
nachgesucht und die Ordnung der einzelnen Akte mit
ihm nicht besprochen hatte, die militärische
Beerdigung untersagte, resp. ihn für die Folgen des
eigenmächtigen Handelns verantwortlich machte, so
war er dazu voll und ganz im Rechte und seinerseits
korrekt gehandelt, ja er hatte sogar nach den
vorhergegangenen Ereignissen wohl die Pflicht dazu.
– Zum Schluß noch folgende Bemerkung. Alles was der
Verein getan hat, war an sich recht feierlich gut
und schön und hat allgemein gefallen, aber die
Vorbedingungen fehlten und die Genehmigung dazu von
Seiten der Angehörigen kann der Verein
nicht
nachweisen. Hätte der Vorstand des Vereins mit
den Verwandten und dem Pastor direkt verhandelt und
die Sache gründlich aufgeklärt, auch um das Betreten
des Kirchhofes mit Trauermusik und das Schießen
darauf mit dem Pastor in Verbindung gesetzt, so
würde sicher alles anders gekommen sein. Hier liegt
das Hauptmißverständnis. Wer aber selbst Versehen
gemacht hat, hat wenig Ursache, das vermeinte
Versehen anderer Leute in die Zeitungen zu posaunen.5
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Die Geschichte ist
nicht zu Ende, wenn nicht auch über die drei
Valdorfer Handwerker und die Ergebnisse des
Prozesses berichtet werden kann. Zeitaufwendiges
Suchen, hat aber bisher zu keinem Ergebnis geführt.
Gerichtsakten aus dieser Zeit von Vlotho und Minden
sind leider nicht archiviert worden. |
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