Es mag um das Jahr 1860 herum gewesen sein, etwa im
Monat Oktober, wo es schon früh am Nachmittag
dämmrig wird. Der alte Fuhrmann Herrn Frodermann aus
Bad Salzuflen hatte eine Fuhre Salz nach Vlotho
gefahren. Mit dem Entladen seines Planwagens war er
erst am späten Nachmittag fertig geworden, denn die
Schauerleute an den Lastkähnen auf der Weser hatten
sich nicht sonderlich beeilt. |
Als er sich mit seinen schweren Gäulen und dem
rumpelnden leeren Wagen auf den Heimweg machte,
trieb der Wind Regenböen und Schlossen vor sich her.
Da würde er gewiß in die Dunkelheit hineinkommen,
ging es Frodermann durch den Kopf. Das war nicht
sehr angenehm, denn die Wege waren schlecht und
ausgewaschen.- Aber er musste nach Salzuflen zurück.
Seine Frau lag schon einige Tage darnieder, und das
Vieh daheim musste versorgt werden. |
Frodermann ließ die Gäule tüchtig ausgreifen. Nach
zweistündiger Fahrt sah er zu seiner Rechten den
Hollenhagen auftauchen. Um die Erlen an der
Vinnenbecke wob bereits die Dämmerung, und in den
Salzewiesen an der Loose brodelten milchige Nebel. |
Aus dem Dunst tauchte plötzlich ein Wanderer auf,
der wie Frodermann der Stadt Bad Salzuflen
zustrebte. Ein langer Mantel schlotterte um die
dürre Gestalt. Mit einem kurzen, mürrischen Wink bat
der Mann, hinten auf dem Wagen aufsitzen zu dürfen.
Frodermann nickte. Es war immerhin noch eine gute
Wegestunde bis zur Stadt, und den Pferden würde es
nichts ausmachen. |
Der Fuhrmann trieb die Gäule wieder an. Der schwere
Wagen rumpelte über Steine und durch ausgewaschene
Rinnen weiter. Bei jedem Stoß brummte der Fremde
unwillig vor sich hin. Sein Murren und Knurren wurde
von Meile zu Meile lauter, bis er sich mit häßlichen
Verwünschungen auf Wetter und Wege Luft zu machen
versuchte. |
Inzwischen war der Regen stärker geworden. Er
klatschte an die Wagenplane. Der Wind rüttelte in
den Bäumen und schüttelte körbeweis das dürre Laub
aus den Kronen. Als der Wagen in den Hohlweg
oberhalb der Waldemeine einbog, war die Dunkelheit
so tief herabgesunken, daß vom Wege kaum noch etwas
zu erkennen war. Zur Rechten tauchte schemenhaft der
Wartturm aus dem Dunst. Auf der Höhe packte sie der
Wind und heulte und pfiff durch Speichen und Plane. |
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Der
Hohlweg im Steinbecker Holz durch den die Salzkarren
von Salzuflen nach Vlotho fuhren.
Rechts die Abzweigung nach Wüsten. |
Der
Fremde hinten auf dem Rücksitz stöhnte und fluchte
mehr als zuvor. Der alte Frodermann zog die Zügel
straffer und duckte sich fester hinter die Plane.
Hier kam eine Wegstrecke, die den Salzufler
Fuhrleuten und Salzkärnern nicht geheuer war. Am
Wartturm sollten seit alten Tagen böse Kobolde ihr
unheimliches Wesen treiben. Es war besser, man mied
diese Strecke in der Dämmerung. |
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Der
Stumpfe Turm, der alte Wachtturm
im Steinbecker Forst. |
Frodermann schreckte plötzlich zusammen. Klang nicht
Kettengerassel von dort unten aus der Niederung
herauf? Heulte vom Schloß her nicht ein Hund durch
die Nacht? |
Den Fuhrmann überlief es eiskalt. Vor kurzer Zeit
erst hatte man in Schröders Krug vom großen Hund im
Steinbecker Holz erzählt. Auch hatte man von einer
beinernen Gespensterhand zu berichten gewußt. |
Frodermann trieb die Pferde zu schnellerem Zuge an.
Der Wagen rumpelte über Wurzeln und Steine vorwärts.
Hinten auf dem Rücksitz fluchte der Fremde immer
gräßlicher. Der alte Fuhrmann blickte zum Vierenberg
hinüber. Dort wallte dichter Nebel in dicken
Schwaden. |
Frodermanns Blick erstarrte. |
Narrte ihn ein Spuk? Aus der Nebelwand griff eine
Knochenhand heraus. Ganz deutlich sah er die langen,
dürren Finger. |
Das
klagende Geheul des Hundes schlug wieder an sein Ohr
– viel näher als zuvor. |
Das
Rasseln der Kette war jetzt ganz nahe hinter dem
Wagen. Frodermann griff entsetzt zur Peitsche und
schlug auf die Gäule ein. Nur schnell fort vom Turm.
Der große Hund war los! |
Das Gebell war nun ganz nahe hinter dem Wagen. Das
Kettengerassel, die Flüche des Fremden, des Windes
Stöhnen, Hundegebell und das ängstliche Schnauben
der Pferde vereinigten sich zu einem höllischen
Konzert. Um den Wagen herum tobte es wie die wilde
Jagd. – Da brauste es an ihm vorüber. Frodermann
glaubtge einen Menschen zu erkennen, auf dessen
Nacken ein riesiger schwarzer Hund hockte, der eine
Kette hinter sich her schleppte. Heulend, stöhnen
und fluchend rannte der Mensch mit dem Tier im
Nacken den Hohlweg entlang. Dunkelheit und Unterholz
verschlangen dann beide. Da hatte Frodermann endlich
den Waldrand erreicht. |
Das höllische Konzert blieb hinter ihm zrück und
verklang mehr und mehr. Der Fuhrmann atmete auf. Von
Salzuflen heraus blinkten friedlich die Lichter der
Häuser. |
Frodermann sah sich nach seinem Fahrgast um. Doch
der war verschwunden… |
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