Home        

Der Wüstener Opferstein

Dass unsere Altvorderen, bevor sie vor 1200 Jahren von Karl dem Großen mit dem Schwert christianisiert wurden, ihren Göttern Tieropfer darbrachten, ist unstrittig. Den Göttern wurden die Opfer mit der Bitte um ein gutes Jahr, um Sieg oder um Frieden und Fruchtbarkeit dargebracht. Geopfert wurde an bestimmten Tagen, besonders zur Wintersonnenwende und zur Sommersonnenwende an der auch das Thing stattfand, das ebenfalls mit einem Opfer eingeleitet wurde. Diese Rituale fanden an heiligen Orten statt. Es waren meist stimmungsvolle Plätze von großer Naturschönheit. Die beeindruckende Naturkulisse vermittelte den Feiernden ein Gefühl von der Macht und der Größe der Götter, die sie verehrten. Für die Germanen, die oft in weit voneinander entfernt liegenden und verstreuten Siedlungen lebten, waren diese heiligen Feiern auch eine willkommene Gelegenheit, das Gemeinschaftsgefühl der Sippe und des Stammes zu festigen und zu genießen.
Der Wüstener Opferstein
In früherer Zeit ist wenig über den Opferstein geschrieben worden. In der 'Chronik', die von Pastor Köhler (1792-1805) und Pastor Krüger (1807-1826) in den Wüstener Kirchenbüchern festgehalten wurde, ist nichts erwähnt. Auch in dem Fürstlich Lippischen Kalender, der seit Ende der 1670er Jahre erscheint und in den alten Lippischen Intelligenzblättern suchen wir vergeblich nach einem Hinweis auf diese vermeintlich alte Kultstätte. Im Bewusstsein der alten Wüstener war er aber immer gegenwärtig.

Der Opferstein als Denkmal gekennzeichnet.

"Der alte Standort des Opfersteines ist auf dem Hollenstein einem Teil des Vierenberges. Er  liegt oberhalb des Neuen Dorfes, 300 m nördlich vom Bismarckturm am Rande eines Ackers von Hempelmann [Oberwüsten] Nr. 57. Es ist ein großer Granitfindling von 1, 80 [m] Durchmesser, dessen fast kreisförmige Oberfläche merkwürdig glattgeschliffen ist."1

Der Opferstein am alten Standort mit der "merkwürdig glattgeschliffenen Oberfläche."2

Der Opferstein mit dem tribünenartigen Böschungsrund.3

"Der Name "Vierenberg" wird gern zurückgeführt auf die vier germanischen Gottheiten, die hier oben sollen verehrt worden sein, nämlich Tyr, Wodan, Donar und Frigga oder Holde. Diese Deutung würde auch den Namen "Hollenstein" erklären, während die andere Version "Feuerberg" (1468 : Fyrenberg) an die Sonnenwendfeuer und vielleicht auch an den Opferstein erinnern könnte."4
Prof. Krückmann (Münster) - so schreibt Pölert - hat den Stein verglichen mit der Deckplatte eines Steingrabes bei Fallingbostel aus der Jungsteinzeit (5000-1900 v. Chr.), wo nur die untere Seite des Grabes behauen ist. Er meint, dass der Stein in Wüsten einmal den Hang heruntergewälzt sein muss, um ihn aus der Mitte des Ackers zu entfernen; dabei sei die glatte Unterseite nach oben gekommen.
Friedrich Hempelmann (1896-1971), Kolon auf dem Oberwüstener Hof Nr. 575 , auf dessen Grund der Stein lag, wusste zu erzählen, dass der Stein in den 1880er Jahren bei Rodungsarbeiten entdeckt worden ist. Die Annahme von Prof. Krückmann, der Stein sei aus einem Acker den Hang heruntergewälzt6 worden, trifft wohl so nicht zu, auch weil die Stelle oberhalb des Opfersteins kein Ackerland sondern immer mit dichtem Wald bestanden war.
 
Mir liegt eine undatierte und ohne vom Verfasser gezeichnete Kopie7 vor, in der über Untersuchungen zum Opferstein berichtet wird:  
"Eine sehr eindeutige Position vertritt das Amt für Bodendenkmalpflege in Bielefeld. In einem am 6. April 1981 an die Stadt Bad Salzuflen ('Amt Stadtsanierung') adressierten Schreiben heißt es: 'Unter Bezugnahme auf das am 24.2.[1881]stattgefundene Gespräch teilen wir mit, daß es keinen Anlaß gibt, die sog. Opfersteine auf dem Vierenberg als Bodendenkmal einzutragen.'" Diese nicht begründete und von Opfersteinen sprechende Aussage können wir außer Acht lassen, obwohl sie sicher weitreichende Folgen hatte.
Es heißt in der Kopie weiter:
"Ähnlich äußert sich ... Kreisarchäologin Dr. Elke Treude vom Lippischen Landesmuseum in Detmold. Sie hat im Rahmen einer kürzlich erfolgten Ortsbegehung den mittlerweile nicht mehr am Originalstandort befindlichen 'Opferstein' in Augenschein genommen und kommt zu dem Schluss, dass die äußere, 'nicht natürlich wirkende' Form des eiszeitlichen Granitfindlings wohl zu der 'Benennung Opferstein geführt' habe. Sie spricht ferner von einem 'potentiellen, obertägig sichtbaren Naturdenkmal'. Dass es sich hier um ein Kulturdenkmal handeln könnte, wie das heute immer noch zahlreiche Bürger des Ortsteils Wüsten vermuten, hält sie ... für eher unwahrscheinlich. Sie empfiehlt aber (...) 'zu gegebener Zeit' eine Dokumentation des Steines vorzunehmen."
Dass ich zu den heute immer noch 'uneinsichtigen' zahlreichen Wüstener Bürgern gehöre, die den Opferstein als Kulturdenkmal angesehen haben, will ich gerne den nachstehenden Überlegungen voransetzen.
Prof. Krückmann und auch Frau Dr. Treude bezeichnen die Oberfläche des Stein als 'behauen' bzw. 'nicht natürlich wirkende äußere Form'. Die Oberfläche des Steines ist behauen, das bestätigten lt. Friedrich Hempelmann, auch zwei von ihm befragte Steinmetze (Galuhn und Flaßkämper7).
Der Standort befand sich 'an stimmungsvollem Platz von großer Naturschönheit'.
Otto Pölert bringt die alten germanischen Namen Vierenberg und Hollenstein in Verbindung mit dem Opferstein.
Auch Frau Dr. Treude legt sich in ihrem Begehungs-Protokoll nicht eindeutig fest. : "Dieses potentielle, obertägig sichtbare Natur- (Kultur ?) Denkmal ist folglich ... noch vorhanden, allerdings nicht mehr an seinem ursprünglichen Standort." 
Die geschichtsinteressierten Wüstener Bürger können nur hoffen, dass die 'zu gegebener Zeit' zu erstellende Dokumentation in absehbarer Zeit erfolgt. Fraglich ist nur, ob der von seinem ursprünglichen Standort und beim Transport stark beschädigte Stein noch eine objektive Beurteilung zulässt.
Der Opferstein an neuem Standort
Der neue Besitzer des Hempelmannschen Hofes, der Viehändler Bobe, plante Anfang der 1980er Jahre nach einem großzügigen Neubau am Wiensieker Weg einen Freizeit- und Reiterhof zu errichten. Er beabsichtigte am Vierenberg weitere Ländereien hinzuzukaufen. Der Opferstein, der am Rande seines Wiesengeländes lag, hätte dann mitten in seinem Areal gelegen. Als geschütztes Natur- oder Kulturdenkmal hätte er den Stein nicht an einen anderen Ort verbringen dürfen.
Das Amt für Bodendenkmalpflege in Bielefeld gab ihm aber mit seiner "eindeutigen Position ... daß es keinen Anlaß gibt, die sog. Opfersteine auf dem Vierenberg als Bodendenkmal einzutragen" die Möglichkeit, mit schwerem Baggergerät den Opferstein von seiner ursprünglichen Lage zur Verschönerung vor seine Hofeinfahrt transportieren zu lassen. Dem nicht genug; es wurde auch noch verschandelnd das Wort OPFERSTEIN eingemeißelt. 

Der großzügige Neubau in altem Stil mit dem Opferstein am neuen Ort. Eine 'Verschönerung' der Hofeinfahrt.9

Der Opferstein an der Hofeinfahrt zum Wiensieker Weg Nr. 7.10

Andere Gemeinden würden sich glücklich schätzen, ein solches Denkmal aus grauer Vorzeit ihr Eigen nennen zu dürfen. Zumal Generationen von Schulklassen aus Ober- und Unterwüsten an ihren Wandertagen am Opferstein halt machten, einen Exkurs über die ältere Geschichte Wüstens zu hören bekamen, und dann zum Wüstener Bismarckturm weiterwanderten.

 
 
Quellen: 1 Nach Pölert, Otto: Wüsten. Eine Höfe- und Siedlungsgeschichte. o.O., o.D. (ca. 1960). S. 9.
2, 3 Fotos Rainer Mewes Anfang der 1960er Jahre.
4 Pölert, S. 9.
5 Wüstener Kirchenbücher im Archiv der Lippischen Landeskirche in Detmold. 1896, Geborene, Pos. 17.
6 Nach Pölert S. 9.
7 Undatierte und ohne Verfasser gekennzeichnete zweiseitige schreibmaschinengeschriebene Kopie, in der die unterschiedlichen Untersuchungen zum Opferstein zusammengefasst sind. 
8 Zwei Steinmetzhandwerksbetriebe in Bad Sazuflen.
9 Foto Rainer Mewes (1985)
10 Foto K. Pumpenmeier (2004)