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Oberwüsten Nr. 37. Kleine Leibzucht mit Vor- und Anklapp. |
Von "Butter" und "Bumbamwegen" und "Hexenstraßen" – "Jeude drüdde Frubbe ne Hexe" – Kunterbunt der Kolonate – Alt-Wüstener Erkenntnisse
Wie dringe ich in sie
ein? Über den "Boddernweg", den die
"Wüstenbewohnerinnen" einst mit der frischen
Landbutter der Badestadt zugeschuckschackt sind? Auf
der "Luienstrate", dem "Bumbamweg", auf dem sie, bis
1625, die Leichen nach der "Wüstener Ecke" in
Schötmar getragen oder gefahren, von den
Kiliansglocken beläutet, "bebumbamt"? Oder die
"Lange Strote" übern Hollenstein, einen der
Anfahrwege der Salinenfuhrwerker?
Das alte Schuttenmeier'sche
Haus von 1798,
Winter
1946 war ich oben an der Salzufler Schnat.
Buschmeier hatte mir erzählt, die Bäuerin da
beschwöre die Füchse mit zwei Pottdeckeln, die sie,
um Haus und Acker kreisend, zusammen-schlage, und mit
unverständlichen Worten. Als ich sie nach den
Füchsen fragte, lachte sie und sagte: "Dat stimmt,
un eck reope dorboi jümmer Voss! Voss! Voss! Dat helpt
denn för förteggen Dage, auk gegen de beisen Woiwer.
Affwinken helpt auk." Sie erzählt mir von ihrem
"Franzosen", dem Kriegsge-fangenen, der 1944/45 die
Feindflieger "abgewinkt". "Dor sind seu füdderbrummt
un hät de Bomben wiederhen anne Weser affschmieten."
Auf den Zickzackwegen, die ich durch das "Nigge Dörp"
nach dem Giershagen und zum Boberg hiantnehme, sind
sie wieder bei mir, die Dutzend Geschichten von der
"Hexenstrate" (Padweg beim Uphof), den Kreuzwegen
bei der Kirche, Hetland und der "Langenstaße", wo
sie die verhexte "Blaue Milch" abgestellt;
Geschichten von "schwer zu kriegender Butter" (wo
der schuldig war, der kam, um etwas zu entleihen,
"leinen" wollte; was zu viel Feindschaft geführt);
Geschichten von solchen, die Fuhrwerke, Diebe und
fensterlnde Burschen, die zu ihren "niepen" Töchtern
gewollt, haben "stehen lassen", den drei lösenden
Deichselschlägen und Sprüchen (ich habe Fritz Prante
versprochen, sie nicht weiterzusagen); Namen derer
die "mehr gekonnt". Gläubigkeit, Kopfschütteln,
Erkenntnisse des tieferen Zusammenhangs. Wie sagte
doch die 78erin, die zwei Ehemänner zu Grabe
getragen und fröhlich dem Tag entgegenwartete, wo
sie sie "dorbombt" beide an die Hände nehmen würde,
an jede einen? Sie würde zu ihrem Herrgott sagen:
"De Minsken sägget jümmer, die Toien wörten slimmer.
Die Toien werd nich slimmer, de Minsken werd et
jümmer. Sui barmherzig met us Sünnern!"
Vom Salzsumpf in der Loose (wo ich auf pflanzliche
Seltenheiten, Milch- und Löffelkraut, Erdbeerklee
und sonstwie "Halogene" ausgewe-sen) steige ich nach
der Krutheide hinan. Hier, am Salzehang und aud der
Höhe, stehen die älteren Fachwerke von 1605 (37),
1609 (47) und der Vierständer von Nr. 29, den
"Witwer Krudemeier am 15. Mai 1662 durch Mester
Henrich im Busche" richten ließ. In der "Waldmeine",
"oben" wie "unten", beiderseits des Sieks um den
Windmühlenstumpf herum, heben sich die Fachwerke der
Begemann, Bokemeier, Altrogge und Exter, letzterer
mit Stichbalkenmaske und profilierten Knaggen,
Köttervierständer und Kleinleibzuchten,
balkengezimmert bis zur Jahrhundertwende hinan. Auf
Nr. 22 bei der Kirche lese ich unter der
Gesichtsmaske: "Joh. Hinrich Wüstenbecker 1821", den
gleichen Namen am Speicherhaus von 1846 daneben noch
einmal. Schon 1590 wird ein "Johann uffer
Woistenbeeke" beurkundet. Sicher einer der ersten,
die in dem (wegen der Entfernung) kaum
bewirtschafteten und besonders durch die
Salzsieder-einschläge im 16. Jh. verwüsteten Walde
der Herren von Vornholte siedelten. An der Beeke,
nach der man ihn nannte, und die, vierenbergentlang,
mit ihren Nebenbächen, das siedlerische Rückgrat
der "Wüste" überhaupt wurde. Ich gebe Pastor Böke
Recht (der 1922 noch ein Gefüge, Erdsiek Nr. 37, von
1583, 6 aus dem 17., 18 aus dem 18. und 28 aus dem
19. Jh. ermittelte), wenn er meint, die älteren
Annozahlen seien meist auch zugleich die
Gründungsjahre der betreffenden Kolonate. Hier um
die Kirche herum, unterm "Langenberg", im "Alten
Dorf", "Kätchenort" und dem "Krukenplass" setzten
die ersten sich an, ein gewisser "Heinrich" in den
"Stuten" (Stauden), der "Stutenheinrich". Die
Eheleute Scheiper und Ties (Leibzucht von 1689 am
Langenberg), die Schuckmann und Decker, Tölle und
Ellermeier, Fetkötter und Wiggenbröker, Groteguth und Kehde, Schemmel und Deppe. Die Hempelmann, Boberg,
Pauk, Schuding, Sturhahn, Steinmeier usw., usw. Einer
von Hiltern bei Bentheim. War ein lustig Roden und
Reuten ("Großes" und "Kleines Rott", "Gastrott"),
Hacken und Hauen ("Hobbe", dreimal "Höwe",
"Haufeld"), Broddeln und Brennen ("Up'n Branne", "Askamp").
Es gibt noch je einen "Holz-, Loh-, Birken-, Farren-
und Heidkamp", ein "Kuhlen- und Fretholz", "Ellern-,
Erft- und Wiggensiek", eine "Hümmernkenrikte",
"Himmelreich" und "Palmenort". 1790 gab es
bereits 121 "Feuerstellen".
Unterwüsten Nr. 45, unten auf der Krutheide
nahe der Loose.